Gegen Wind und Wetter

konTEXTIL Jounal

Trends in der Funktionalisierung

Nichts ist uns näher als die Kleidung, die wir am Körper tragen. Sie bietet uns Schutz, Funktion und Ästhetik. Gerade die Sport- und Outdoor-Branche gilt hier als Trendsetter – für neue Materialien, verbesserte Funktionen und innovative Produktkonzepte, aber auch beim Thema Nachhaltigkeit. Dabei herrscht eine hohe Entwicklungsdynamik aufgrund steigender Kundenanforderungen und gesetzlicher Vorgaben.

Funktionell und komfortabel soll es sein

Outdoor-Aktivitäten sind ungebrochen im Trend – am Berg, im Wald oder auch in der Stadt. Bei allen Aktivitäten sind ein Schutz gegen Wind und Wasser, aber auch schmutzunempfindliche Oberflächen gewünscht. „Hinzu kommen hohe Komfortansprüche hinsichtlich Feuchtigkeitsmanagement, Atmungsaktivität und Thermoregulation für ein trockenes Tragegefühl. Gleichzeitig soll durch ausreichende Restfeuchte die Kühlfunktion durch Verdunstung erhalten bleiben“, so Christine Körner, Rudolf GmbH. Diese Funktionen werden vom Kunden meist als selbstverständlich angesehen.

Nach Einschätzung von Dr. Annegret Vester, CHT R. BEITLICH GmbH, bewegt sich das Thema Funktionalisierung aktuell in zwei Richtungen: einerseits die Kombination diverser Eigenschaften und andererseits der Wunsch nach technisch noch anspruchsvolleren Funktionen. Beide Entwicklungen gehen mit einem verstärkten ökologischen Bewusstsein der Kunden einher. Je nach Anwendung akzeptieren Kunden aber auch Kompromisslösungen, wie einen eingeschränkten Wetterschutz zugunsten eines verbesserten Komforts und Wohlfühlfaktors. „Ein weiterer Trend ist die steigende Nachfrage nach personalisierten Lösungen hinsichtlich Design und Passform“, erläutert  Dr. Martin Hottner, W.L. Gore & Associates GmbH. So wird vor allem an der Weiterentwicklung von langlebigen, elastischen Materialien gearbeitet. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass in der klassischen Mode der Einsatz funktioneller Textilien wieder an Bedeutung gewinnt.  Körner erwartet, dass in Zukunft das Verbraucherbedürfnis nach Schutzfunktionen, Tragekomfort, Pflegeleichtigkeit und modischem Design noch weiter ansteigt.

Innovationspotenziale und Herausforderungen

Aktuell nimmt das Thema Nachhaltigkeit bei funktionellen Textilien einen hohen Stellenwert ein. Nicht zuletzt, da es stark in den Medien präsent ist. „Jene Diskussion führt dazu, dass sich alle Beteiligten innerhalb der textilen Kette stärker um ökologische Herstellungsprozesse und den Verzicht von Schadstoffen bemühen“, so Vester. Diese Entwicklung wird von zahlreichen Initiativen wie dem „Zero Discharge of Hazardous Chemicals“ (ZDHC) oder dem „Bündnis für Nachhaltige Textilien“ und dem Europäischen Stoffrecht REACH vorangetrieben. Hottner ist überzeugt, dass REACH die Entwicklung neuer Veredlungsprozesse und Chemikalien bewirken wird. So sieht er im Bereich Funktionalisierung große Potenziale in der Digitaltechnik, z.B. auf Basis von Inkjet-Druckern. Er merkt jedoch auch an, dass bestimmte aktuelle Veredlungen wie bisher eingesetzte langkettige hydrophobe Ausrüstungen (Durable Water Repellency DWR) unter REACH nicht mehr möglich sein werden. Die aktuelle Kandidatenliste für die nächste Registrierungsrunde in 2018 enthält 168 kritische Stoffe, darunter einzelne per- und polyfluorierte Chemikalien (PFCs). Das stellt vor allem Hersteller Technischer Textilien vor Herausforderungen, da bisher kaum gleichwertige Alternativprodukte am Markt verfügbar sind. Die gesamte Industrie sei gefordert, neue Materialien für eine leistungsfähige und dauerhafte DWR zu entwickeln.

REACH ist das beherrschende Thema bei Neuentwicklungen, Lieferantenbewertungen und der Vermarktung bestehender Produkte, wie Körner bestätigt. Der Fokus liegt dabei auf der Suche nach alternativen Rohstoffen und Fertigprodukten, die bereits bei der ECHA registriert sind. In Unternehmen nimmt zudem die Evaluierung der Eigenregistrierung von Stoffen einen hohen Stellenwert ein.

Im Sport-, Mode- und Outdoor-Bereich ist die Wasserabweisung nach wie vor das vorrangige Ziel. Der Trend geht hier eindeutig zum differenzierten Einsatz von Phobierungsprodukten in Richtung fluorfreie Ausrüstungstechnologien. Die Entwicklung fluorcarbonharzfreier Alternativen ist derzeit ein Schwerpunkt in der Industrie. Fluorfreie Systeme können naturgemäß nicht alle Funktionsanforderungen wie Ölabweisung erfüllen. Bisher haben nur perfluorierte Substanzen eine dementsprechend niedrige Oberflächenenergie, dass sie eine Abweisung öliger Flüssigkeiten gewährleisten können. Schmutz-, Öl- und Chemikalienabweisung sind z. B. wesentliche Anforderungen an Schutztextilien.

„Bei der ökologischen Phobierungsausrüstung liefen einige Weiterentwicklungen, die nun eine verbesserte Performance bieten. Aktuell haben wir einige vielversprechende Projekte in den Bereichen Thermoregulation, Weichgriffausrüstung und Flammschutz“, so Körner. Thermoregulation ist auch ein Entwicklungsthema bei der CHT R. BEITLICH GmbH; sie arbeitet z. B. an heizfähigen Beschichtungen. Tragekomfort und Wetterschutz verbindet auch ein von Gore jüngst vorgestelltes Zwei-Lagen-Laminat, das ohne Außentextil auskommt. Als weitere technologische Trends in der Funktionalisierung nennen die Experten u. a. formaldehydfreie Binder und Hochveredlungsprodukte sowie den Ersatz gewichtsintensiver Materialien.

„Neben der Entwicklung umweltfreundlicher Materialien und Prozesse sollte die Lebenszyklusanalyse, die sogenannte Ökobilanz, nicht zu kurz kommen“, so Hottner. Oft wird die zu erwartende Produktlebensdauer in die Betrachtung nicht einbezogen. Eine Herausforderung sei es außerdem, Umweltleistungen objektiv mess- und vergleichbar zu machen. Derzeit wird auf europäischer Ebene ein „Product Environmental Footprint“ entwickelt. „Von der engen Zusammenarbeit entlang der textilen Kette werden am Ende die Verbraucher und die Umwelt profitierten“, so die Überzeugung von Vester. Das Thema Nachhaltigkeit bietet zudem die große Chance, sich gegen internationale Mitbewerber abzugrenzen und als verantwortungsvoller Industriepartner zu positionieren. Allerdings ist, um die steigenden Verbraucherwünsche hinsichtlich Funktion und Nachhaltigkeit mit ganzheitlichen Produktkonzepten erfüllen zu können, eine noch engere Zusammenarbeit der Textilhilfsmittel herstellenden Industrie mit der Textilveredlungsindustrie, den Textilproduzenten, Konfektionären und Retailern erforderlich.

In Zukunft wird das Thema Funktionalisierung weiter an Bedeutung gewinnen, da Textilien mit ihren spezifischen Eigenschaften immer wieder neue Einsatzfelder erschließen. Textilien könnten beispielsweise in einer vernetzten „smarten“ Welt Teil der Kommunikationsmedien sein.  Als moderner Werkstoff sind sie heute schon in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken – sei es im Automobilbau, der Medizin oder Architektur. Somit gilt es, das Spielfeld für chemische Innovationen zu nutzen.

 

Quelle: konTEXTIL- Journal des Netzwerkes Textile Innovation (1/2016) / Bayern Innovativ GmbH


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